Ich dachte „die“ sagen mir schon, was ich jetzt zu tun habe…
Als ich die Diagnose meiner Tochter bekam, habe ich nicht gegoogelt. Ich war der festen Überzeugung, dass mir Ärzt*innen schon sagen würden, was ich jetzt zu tun habe.
Spätestens als ich das erste Mal bei einer Selbsthilfegruppe war, dachte ich alle Infos für passende Hilfen und Anträge zu haben.
Doch damit lag ich weit daneben.
Nach und nach stellte ich fest, dass ich neben vielen falschen Informationen auch viele wichtige Dinge gar nicht auf dem Zettel hatte. Also befragte ich doch die Suchmaschine und war verloren in dem Wust aus Informationen. Wie sehr hätte ich mir ein paar Wegweiser gewünscht. Eine klare Linie an der ich mich entlang hangeln kann.
Als im Januar 2023 die Anfrage kam, ob wir dabei helfen könnten die Belange von pflegenden Eltern besser zu verstehen, dachte ich sofort an meine eigene Hilflosigkeit in den ersten Monaten zurück und war zutiefst dankbar, dass jemand fragte.
Es war aber nicht irgendjemand. Es war Barbara Schmitz, die Projektleiterin vom Pflegewegweiser NRW - einem digitalen Projekt der Verbraucherzentrale NRW, das von Pflegekassen und Land finanziert ist, um Anlaufstelle für das Thema Pflege zu sein. Ich surfte durch die Webseite und auch, wenn ich - anders als an vielen Stellen, wo es um Pflege geht - einige Bilder von pflegebedürftigen Kindern und jungen Erwachsenen entdeckte, sah ich auch hier kein direktes Angebot für pflegende Eltern.
Wir vereinbarten einen Termin für einen gemeinsamen Workshop im März und an diesem Punkt baten wir um die Mithilfe der Community und erstellten eine Umfrage deren Fragestellung war: „Was hättest du nach der Diagnose an Informationen gebraucht?“ Rund 600 pflegende Eltern nahmen innerhalb kürzester Zeit teil, obwohl wir zu diesem Zeitpunkt nicht einmal öffentlich gemacht hatten, wofür wir die Antworten brauchten. Was ich damals las, überraschte mich nicht und doch hat es mich zu tiefst berührt. Vor allem in dieser Masse. Nächte gingen drauf für Recherche, Auswertungen anderer Studien und das Erstellen einer Präsentation.
Jene Präsentation, die Barbara Schmitz und ihr Team dazu brachte zu sagen: „Da müssen wir etwas ändern und wir brauchen eure Hilfe dabei.“
Das war der Startschuss für eine fast neunmonatige Zusammenarbeit. Von der ersten Ideenskizze über das gemeinsame Erstellen von Texten, die Zusammenarbeit mit einem tollen Grafiker, der unzählige Bilder malte und sich danach besser mit Hilfsmitteln auskannte, als er jemals dachte, bis hin zu der Mitarbeit unserer wunderbaren Community, um die Informationstexte mit persönlichen Erfahrungen zu ergänzen.
Es war ein kreativer aber auch nicht immer einfacher Weg, den wir dort gemeinsam gingen, bei dem alle Beteiligten dazu gelernt haben.
Es war ein Weg, der einen neuen Weg hervorgebracht hat, den andere nun nutzen können, wenn sie vor den gleichen Fragen stehen, die ich selbst einst hatte. Bzw. bringt dieser Weg dazu, die richtigen Fragen an den richtigen Punkten zu stellen.
Ich bin unsagbar stolz auf das Ergebnis und hoffe darauf, dass es anderen vor allem zu Beginn helfen kann.
Der Pflegewegweiser ist für NRW konzipiert, aber steht allen offen und das, was wir dort für die pflegende Elternschaft zusammengetragen haben, hat auch über die Grenzen von NRW bestand.
Schaut es euch selbst an: https://www.pflegewegweiser-nrw.de/junge-pflege-uebersicht
Dieses Projekt und sein Ergebnis haben mir gezeigt, wie viel wir zusammen erreichen können, wenn wir konstruktiv miteinander ins Gespräch gehen.Wie viel das sein kann, wurde mir spätestens klar, als ich Endes des Jahres 2023 die folgenden Worte von Barbara las:
„Gerne möchte ich mich auch bei euch bedanken. Das Zusammentreffen mit euch hat mir nicht nur sehr viel Spaß gemacht, sondern hat auch mein Denken in eine andere Richtung gedreht. Ich denke Pflege mittlerweile in Jung, in Alt, in Mittelalt, aus Elternsicht, aus Betroffenen-Sicht, aus neurodiverser und neurotypischer Sicht (Begriffe, die ich vorher gar nicht kannte). Ich habe Begriffe wie Ableismus gelernt, weiß was ein Walker, Talker und was UK ist. Und bin stolz und beschämt zugleich. Stolz, weil ich Zugang zu einer Community gefunden habe, den ich als wertvoll und bereichernd empfinde. Beschämt, dass ich mich so viele Jahre nicht mit dem Thema beschäftigt habe.
Also, Danke dafür, für eure Unterstützung, Kommentare und Kontakte - ich hoffe, zusammen werden wir noch viel erreichen für die Sichtbarmachung von pflegenden Eltern und ihren Kindern. Schön, dass es euch und euer Engagement gibt. Schön, dass wir uns kennengelernt haben.“
Oh ja Barbara! Danke, dass du damals genau die richtige Frage gestellt hast, damit wir gemeinsam loslaufen konnten.
Wie schön, dass aus dieser Arbeitsbeziehung so viel mehr geworden ist und wir nun gemeinsam auf Bühnen stehen, um „unseren Weg“ zu zeigen!
Lara